Sonntag, 26. September 2010

Erkenntnis

[zusammenhangloses Zukunftsgeschehen]

So richtig wusste Cedric nicht, wie er mit Dash umgehen sollte. Dem „neuen“ Dash. Was alles passiert war hatte er so gut er konnte verdrängt.
Jetzt kämpften sie wieder Seite an Seite. So wie früher. Nur, dass alles anders war.
Nach außen hin blieb er cool. Er wich Blicken nicht mehr aus, sein langer Pony verdeckte seine blinden Augen nicht mehr und mal abgesehn von seinem Mohawk war der Rest seiner blonden Mähne kurz geschnitten. Nichts mehr, hinter dem er sich versteckte. Selbst sein Kostüm hatte die Maske verloren.
Sie funktionierten noch immer unglaublich gut im Team.
Dass in ihm alles bloß lag wie aufgerissenes Fleisch, wenn er Dashs Gegenwart auch nur spürte, ließ Nautic sich nicht anmerken. Modernd kroch Eiter über seine so gut verdrängten Erinnerungen, reizte sie, ließ sie brennen wie aufgeschürfte Wunden, ließ sie wieder präsent werden.
“Shit!!“ Krampfhaft umklammerte er seinen Arm.


Nautic zog die Luft zischend durch die Zähne in der Hoffnung den Schmerz so zu verdrängen. Doch der noch unbekannte Kerl, gegen den sie schon viel zu lang kämpften als dass er harmlos sein konnte, hatte ihm einen unsauberen tiefen Schnitt wie mit einem Brotmesser zugefügt.











Sein Arm blutete, der Riss ging von seiner Schulter in einer Spirale bis hinab zum Handgelenk und er war froh, dass die Pulsader nicht betroffen zu sein schienen. Aber den Arm konnte er vorerst nicht gebrauchen und viel schlimmer war, dass dieser Typ die Frequenz seiner Umgebung ständig so veränderte, dass Nautic praktisch nichts sehen konnte. Vor ihm tauchten plötzlich nicht vorhandene Mauern auf vor denen er stoppte, dann wieder prallte er hart gegen Pfosten, die da doch gar nicht zu sehen gewesen waren. Irgendwie hatte er ein paar harte Treffer landen können, aber jetzt musste er sich doch in Sicherheit bringen, zumindest für einen Moment.
Dash konnte er immer klar erkennen. Das kaum merkliche Pulsieren der Energiestöße war ihm so vertraut. „Alles klar?“ „Ja, ich muss nur mal Atem holen.“ Das stimmte zwar nicht ganz, aber er würde sich keine lange Pause gönnen dürfen. Wie auf Moos trat er auf den Wassermolekülen, hielt sich ein ganzes Stück über dem Boden und verfolgte Dash Gestalt aufmerksam, um im Notfall sofort zur Stelle zu sein.





Als er seine taube Hand etwas bewegte sah er getrocknetes Blut auf den Boden krümeln.
“Danke, man, ich denk’ ab hier pack ich’s allein.“
Dash stand ziemlich verloren vor dem Hochhaus, in dem das HQ eingerichtet war.. das ehemalige Hauptquartier. Dass er hier zögerte zeigte, wie weit die Beiden sich voneinander entfernt hatten. „Sicher?“, fragte er so ruhig er eben vermochte.
“Ja, passt scho-..“ Nautic zuckte zusammen, sein Körper schüttelte sich und er übergab sich direkt vor Dashs Füße. „Na vielleicht doch nicht ganz.“, röchelte er leise.
“Oh man.“ Ced sah Dashs Ausdruck nicht, aber er war sicher, dass er gerade eine ziemliche Grimasse über Ced’s ach so heldenhaftes Tun zog.

Widerspruchslos hatte er sich den Ärmel abschneiden lassen. Jetzt starrte er ins Nichts, den Blick auf eine seiner Aquarienbesetzten Wände geheftet, während Dash ihm die Wunde reinigte.
„Müsste genäht werden.“
„Mach nen Druckverband, das reicht.“
„Wie du meinst.“
Nur das Nötigste an Worten wechseln. Es war so deutlich greifbar, wie schwer es seiner ehemaligen zweiten Hälfte fiel, ebenso wie ihm selbst, sachlich zu bleiben.

Und doch schwiegen die Beiden jungen Männer. Es gab schließlich nichts zu sagen.
“Du bist nicht mehr Phil?“
Das war keine gehässige Frage. Keine nüchterne Feststellung. Viel mehr Worte, die verzweifelte Hoffnung auf etwas in sich trugen und doch genau wussten, dass dem nicht so war. Was auch immer. Dash hatte fragend von dem langen tiefen Riss aufgesehen. Nautic starrte noch immer ins Nichts, sein Arm hing schlaff an der Seite herab, doch allein an der Art und Weise, wie der Andere den Atem einzog konnte er erkennen, wie sein Ausdruck sie spannte. Doch bevor er etwas sagen konnte, erhob sich Ced so plötzlich, dass er Dash zum Schwanken brachte und der sich gerade noch so am Sofa festhalten konnte um nicht quer über den flachen Tisch zu fallen. „Ich brauch was zu trinken.“ Völlig zusammenhanglos.
Ihm war schwindelig vom schnellen Aufstehen und dem hohen Blutverlust. Man hörte ihn unkoordiniert laufen, viel zu hastiges Schaffen aus der Küche, gefolgt vom obligatorischen Klirren eines Glases, das auf den Fließen zerbarst.
“Alles in O-..?“, rief Dash aus dem Wohnzimmer, doch er hielt inne als er hörte, wie Cedric sich scheinbar hastig im Flur bewegte, so als ob er vor irgendetwas fliehen müsste.
Wirres Kratzen ließ ihn dann doch aufspringen.

Das Bild, das sich ihm bot war besorgniserregend. Die Wunde hatte wieder zu bluten begonnen, das verkrustete Blut auf seinem Arm begann sich mit frischen zu mischen und bildete eine widerlich wabernde Masse aus rot, braun und grau.
Er sah, wie Cedric scheinbar nach etwas suchte, wie er sich an der Wand abstützte, fahrig das Nummernpad ertastete und… mehrmals völlig falsche Kombinationen eingab.
„Soll ich dir..?“, setzte er an, doch Ced schüttelte nur hastig den Kopf, bevor er ganz plötzlich aufzugeben schien und einfach nur auf den Boden sackte.
Besorgt packte Dash ihn an den Schultern, zog ihn hoch, soweit wenigstens, dass sein Oberkörper gegen die Flurwand lehnte. „Er ist tot.“ Diese leise, brüchige Stimme schien einem Fremden zu gehören. „Phil ist..“ Der Rest ging ihn heftig tiefen, verräterischen Atemzügen unter und seine Schultern bebeten.
Erst jetzt fiel Dash auf, dass Ced gar nichts sehen konnte, sein ganzes Gesicht war feucht und jetzt rann ihm der Rotz ebenso schnell wie die Tränen über die verschmierte Haut.
Wie ein Schlag in die Magengrube hatte ihn die Erkenntnis getroffen. Phil war nicht einfach nur weg gegangen. Er hatte geschwiegen und ertragen allein gelassen worden zu sein. Er hatte sich aufgerappelt und verdrängt. Er hatte an sich verändert, was er konnte.
Doch jetzt da ihm endlich klar geworden war, dass der Mensch, den er geliebt hatte, tot war, brach alles zusammen. Phil existierte nicht mehr. Und er hatte ihm nie gesagt, wie sehr er ihn liebte. Wut, Trauer und Selbstschutz hatten ihn immer davon abgehalten. Und jetzt war es zu spät.


“Ced, das-…“ „Ich wills nich hören, geh, bitte.“ „Ced-..“ „Geh.“ Schweigen. Nie hatte Dash Nautic jemals so emotional reagieren sehen. Klar hatte er sich über Dinge gefreut, klar wusste er aus den kleinen Teilen seines Selbst, die noch Phil waren, dass Cedric wenig zurückhalten über ihn her gefallen war, aber nie hatte er eine wirkliche Emotion an ihm lesen können.
Selbst als kleines Irrlicht hatte er ihn niemals diese Intensität an Gefühlen ausstrahlen gespürt.
“GEH! HAU EINFACH AB!“ Wütende blinde Augen starrte ihn an, glänzten vor Tränenflüssigkeit, die scheinbar nicht aufhören wollte zu laufen. „Ich ertrag’s nicht dich zu sehn, hau ab, verpiss dich einfach!“
Das war mehr als Dash vertragen konnte.

Wieder hatte er die engen Shirts und Hosen, die über seinem trainierten Körper seinem Ego viel Selbstbewusstsein beschert hatten, gegen seine weiten alten schwarzen Sachen eingetauscht. Um genau zu sein gegen einen einzigen Pulli, in dem er sich verkroch.
Irgendwie hatte er den Druckverband selbst angelegt bekommen und hatte viele Stunden einfach nur zusammen gekrümmt auf der Couch gelegen.
Es kümmerte ihn nicht, dass sein Körper fror. Wieder und wieder fiel er in unruhigen Schlaf, wachte verschwitzt und zugleich frierend auf.

Einen Monat nach dem Vorfall stand Cedric in der Wohnzimmertür und betrachtete sein Werk. Er hatte sporadisch sauber gemacht, auf dem Teppich hatte sich ein hartnäckiger Blutfleck scheinbar fest gefressen aber sonst war es annehmbar ordentlich.
Seine Wohnung war so leer. Und das war so seit ihm das Irrlicht entwischt war. Nein, eigentlich schon seit dem Vorfall, dessen genauen Grund er gar nicht erst bis in sein Hirn vordringen ließ. So groß und so leer und so dunkel und so steril und so… einsam.
Auf dem flachen Tisch stand eine Flasche Wasser und ein Pizzakarton.
Er rutschte in die Nische zwischen Couch und Tisch und nahm sich ein Stück. Es duftete.

Genau wusste Dash nicht, warum er jetzt doch wieder vor der Tür stand, die er so oft durchquert hatte und die dann für ihn verschlossen geblieben war. Die Nummernkombination tippten seine Finger schon wie im Schlaf. Ced hatte sie nicht geändert.
“Hab noch Pizza übrig. Willst du welche?“ war alles, was in der SMS gestanden hatte, die er vor gut einer halben Stunde bekommen und bestimmt 20 Minuten sprachlos angestarrt hatte.
“Unter „übrig“ verstehe ich zwei Stücken..“, bemerkte er schief grinsend, als er den Deckel des Kartons hob und feststellen konnte, dass Ced, der noch immer abwesend zwischen Couch und Tisch auf dem Boden saß, gerade mal einen bisschen von einem einzigen Stück genommen hatte.

Irgendeinen Grund fand Nautic immer, irgendetwas gab es immer, wozu er Dash Meinung brauchte. Irgendeinen Vorwand, um ihn wieder öfter zu sehen und so unfähig er war sich zu entschuldigen, umso klarer wurde ihm, dass er den gleichen Fehler nicht ein weiteres Mal begehen wollte. Er war mit Phil gestorben ohne ihm je gesagt zu haben, was er ihm bedeutete.

“Den Fehler werd’ ich nicht noch mal machen.“, beendete Ced seine einfache Liebeserklärung an Dash, der zwar nicht mehr ganz Phil war, den er dennoch irgendwie wieder zu lieben gelernt hatte. Und der jetzt gerade ziemlich sprachlos aussah, während Cedric den Kopf etwas mehr in die Kapuze seines weiten Pullis zog und die Hände unsicher tiefer in die Hosentaschen streckte.

5 Kommentare:

  1. Na wenn das mal kein Superhelden-BL-Comic/Roman wird, dann weis ich auch nicht. :P

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  2. @Jemo: hauptsache es gefiel |D

    @Donie: Hast du das wirklich durchgelesen? ... du bist gruselig.

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  3. SHIT!!
    Was ist denn hier passiert? Oo
    Ced ist mit dir alles in Ordnung? ... Orr Phil du ... hilf ihm doch!!


    @Sia: Hoho, dann wurdest du jetzt wohl entlarvt! XD Du Superhelden-BL-Fan *gringel*
    Ich wasche meine Hände in Unschuld! X3

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  4. Akku, chill mal, es is... alles in Ordnung.

    Sia: pff.. XD mein Kleener wusste das doch |D Und wer is hier der große BL-Zeichner, häh? *anstarrel* ôwó

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  5. Der kann nicht chillen, DAS ist ja grad sein Problem ... und im Endeffekt unseres. u_u


    yami: *umschau* Ja echt! Das möcht ich auch mal wissen!!
    ;p

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